Max Mauracher sitzt auf Betonblöcken auf einen Platz in der Gropiusstadt in Berlin und lacht in die Kamera. © Lena Giovanazzi
100 Jahre degewo | Nachbarschaft

Kreativ für den Klimaschutz

Die Berliner Agentur New Standards bringt Nachhaltigkeitsthemen unter die Leute. Wie das gelingen kann, zeigt das Projekt „Machbarschaft“, das Maximilian Mauracher und seine Kolleginnen im Auftrag von degewo in der Gropiusstadt initiiert haben. Unser Mietermagazin stadtleben traf den Designer zum Gespräch.

stadtleben | Herr Mauracher, wer sind Sie? Erzählen Sie uns bitte etwas über Ihren Hintergrund.

Max Mauracher | Gerne. Ich bin Designer und habe an der Universität für angewandte Kunst in Wien Grafikdesign sowie Grafik und Werbung studiert. Design hängt auch sehr stark damit zusammen, kreativ Probleme zu lösen – auch in der Kommunikation. Wir zeichnen dazu gerne Schaubilder oder Comics. 2020 habe ich die Agentur New Standards gegründet, die sich damit beschäftigt, wie wir in Zukunft leben wollen. Wollen wir eigentlich noch konsumieren, oder müssten wir nicht ganz andere Dinge tun? Nämlich teilen, reparieren, zurückbringen und so weiter. Wie gehen wir mit unserer Zeit um? Können wir mit einer anderen Arbeitskultur leben? In dieser Richtung beraten wir unsere Kundschaft. Denn viele wollen gerne etwas ändern, wissen aber noch nicht, wie.

Es gibt ja auch den Begriff Community Design. Ist es das, was Sie im degewo-Projekt „Machbarschaft“ angewendet haben?

Ja, beim Community Design geht es darum, wie ich eine Gemeinschaft so strukturieren, aufbauen und gestalten kann, dass sie gemeinsame Werte und Ziele verfolgt. Die AG Mieterprojekte Klimaschutz von degewo hatte uns angesprochen, ob wir bereit wären, etwas für die Gropiusstadt zu tun. Wie könnte man hier das Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz angehen, wie die Mieterinnen und Mieter erreichen und aktivieren, einen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele zu leisten? Wir haben das Projekt „Machbarschaft“ gestartet und wollten nach sechs Monaten schauen, was bis dahin passiert ist. Meine Kollegin Cléo Mieulet und ich haben dafür ein Konzept entwickelt und es dann umgesetzt und dokumentiert. Seit der Auftaktveranstaltung war auch Ayşe Demir dabei, die in der Gropiusstadt wohnt und hier viele kennt. Cléo und Ayşe waren die Hauptakteurinnen im Projekt, sie haben Veranstaltungen geplant und strukturiert, waren ansprechbar für die Leute und haben sie dabei unterstützt, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.

Viele wollen gerne etwas ändern, wissen aber noch nicht, wie.

- Max Mauracher, Initiator des Projektes "Machbarschaft"

Wie haben Sie die Menschen in der Gropiusstadt aktiviert?

Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind ja Riesenthemen. Dazu zählen Wasser, Stadtgrün, Energie, Ressourcen, Abfallvermeidung und Ernährung. Wir haben geschaut, was die Leute in der Gropiusstadt interessiert, und sie einfach auf der Straße angesprochen. Auch im Einkaufszentrum Wutzky waren wir, haben den Menschen Flyer in die Hand gedrückt und sie zu unserer ersten Veranstaltung im November 2023 eingeladen. Und auch über das Elterncafé, den Campus, die Apfelsinenkirche. Dann hatten wir hier im neuen degewo-Nachbarschaftstreff im Friedrich-Kayßler-Weg die erste Veranstaltung mit rund 60 Leuten.

Das war ja schon mal eine ganze Menge …

Fanden wir auch. Wir haben auch eine WhatsApp-Gruppe gestartet, weil wir den Zugang möglichst niedrigschwellig machen wollten. Viele haben ja einfach nicht die Zeit, nach der Arbeit noch mal zu einer Veranstaltung zu kommen, aber wollen trotzdem Teil von so einer Community sein. Inzwischen haben wir eine stabile Gruppe von 30, 40 ganz Aktiven, die bei fast jedem Termin dabei sind. Und einen größeren Kreis von Menschen, die sich unregelmäßig beteiligen. Es kommen auch immer wieder neue Leute rein, die Interesse an einem einzelnen Thema haben.

Cléo Mieulet, Ayşe Demir und Maximilian Mauracher sitzen an einem Tisch vor dem Nachbarschaftstreff am Friedrich-Kayssler-Weg mit dem aktuellen Flyer der „Machbarschaft“ . © Lena Giovanazzi
Cléo Mieulet, Ayşe Demir und Maximilian Mauracher vor dem Nachbarschaftstreff am Friedrich-Kayssler-Weg mit dem aktuellen Flyer der „Machbarschaft“.
Ein Schaubild zum Umgang mit dem Klimawandel. © Lena Giovanazzi
Ein Schaubild zum Umgang mit dem Klimawandel.

Was sind das für Themen?

Stadtgrün zum Beispiel. Für viele ist das total spannend, weil eine Veränderung an diesem Punkt sofort sichtbar ist. Wir hatten am Anfang einen großen Plan von der Gropiusstadt. Und haben die Leute gefragt, wo sind eure Lieblingsplätze, was fehlt euch hier und so weiter. Fehlen hier nicht Hochbeete? Braucht es vielleicht eine Regenwassertonne, zum Beispiel drüben bei dem Garten, den es schon gibt? Das Thema Mobilität war auch für viele interessant. Eine Arbeitsgruppe kümmert sich jetzt zum Beispiel darum, dass hier eine Jelbi-Carsharing-Station eingerichtet wird. Wir haben versucht, uns in jedem einzelnen Themenfeld voranzubewegen. Auch bei den Dingen, die jeder selber machen kann, wie Energiesparen oder den Energieanbieter wechseln. Oder Dinge leihen statt neu zu kaufen.

Unsere Zukunft: Klimaneutral

Klimaschutz ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Unser Ziel ist klar definiert: Bis 2045 wollen wir nahezu klimaneutral sein. Auf diesem Weg haben wir alle Aktivitäten im Blick: Neubau, Sanierung, Bewirtschaftung, Energieerzeugung und nachhaltige Finanzierung. Aber damit nicht genug: Wir unterstützen aktiv die Menschen, die mit uns zusammenarbeiten und die bei uns wohnen, nachhaltige Maßnahmen besser in ihren Alltag zu integrieren - so auch mit unserem Projekt "Machbarschaft".



Was ist Ihr Fazit am Ende des Projekts „Machbarschaft“?

Wir konnten eine Menge anstoßen, hätten uns aber gewünscht, dass in dem halben Jahr wesentlich mehr schneller umgesetzt wird. Aber wir mussten lernen, dass solche Prozesse Zeit brauchen, zum Beispiel, um rechtliche und versicherungstechnische Fragen zu klären. Wir alle haben verlernt, uns mit der Zukunft oder großen Themen wie dem Klimawandel zu beschäftigen – das müssen wir gemeinsam wieder erlernen. Und es braucht eine gute Basis des sozialen Zusammenhalts, um als Gruppe die Erfahrung der Selbstwirksamkeit machen zu können. Gerade bei Nachhaltigkeits- und Klimaschutzthemen geht es immer darum, welche Vorteile die Leute davon haben, zum Beispiel Geld sparen durch eine Ausleihstation, eine schönere Umgebung haben durch Stadtgrün, oder weniger Müll durch Upcycling oder Reparatur. Diese konkreten, alltagsbezogenen Vorteile sind sehr wichtig, damit Nachhaltigkeit und Klimaschutz greifbar werden. Dann ist auch klar, dass es sich lohnt, an Dingen zu arbeiten, die auf unsere Zukunft und die Lebensbedingungen auf diesem Planeten einzahlen.

Vielen Dank für das Gespräch!
 



Zurzeit lässt degewo klären, wie es in der Gropiusstadt weitergehen kann und welche Maßnahmen aus dem Konzept der „Machbarschaft“ auch auf andere Quartiere übertragbar wären.