Ein Mensch, der anderen durch den Behördendschungel hilft? Unbezahlbar! Heike Fahrnländer tut in der MachBar im Brunnenviertel genau das – und wurde so zur zentralen Figur im Kiez.
Welche Rolle Heike Fahrnländer im Brunnenviertel spielt, sieht man, wenn man ihr Büro betritt. Auf dem Fensterbrett steht ein Holzschild, hineingeschnitzt der Spruch: „Was soll ich machen ohne die nette Dame Fahrnländer?“ Es ist das Dankeschön eines Tischlers – einer von etlichen Anwohnern, denen die 50-jährige Sozialberaterin beigestanden hat. Seit zwölf Jahren öffnet sie montags bis freitags die Tür der „MachBar“, Putbusser Straße 29 – das Haus mit der froschgrünen Fassade. Ein nicht zu übersehender Anlaufpunkt für die Menschen im Kiez.
Sie wissen: Hier bekommen sie Hilfe. Meistens geht es um Anträge: Arbeitslosengeld, Wohngeld oder Kindergeld. Es kommt auch vor, dass Eltern mit dem BAföG-Antrag ihres Kindes dastehen und Fahrnländer bitten, das Formular auszufüllen. Sie tut es, jedoch nicht ohne augenzwinkernd anzumerken, dass ein Student so etwas auch allein hinkriegen sollte. Fahrnländer nimmt es mit jedem Formular auf. Sie ist gelernte Außenhandelskauffrau und hat Sozialmanagement studiert, die Sozialgesetzbücher kennt sie. An jedem Arbeitstag hat sie sieben, acht Termine. Dann beugt sie sich über die mitgebrachten Papiere, stellt Fragen, schreibt Zeile für Zeile in leserlichen Druckbuchstaben. Viele Anwohner kommen regelmäßig. Einige, weil sie das Behördendeutsch nicht verstehen, andere, weil sie fürchten, ein Kreuzchen falsch zu setzen.
Zusammen sitzen sie im Beratungsraum im Erdgeschoss, mal zehn Minuten, mal eine Stunde. Über dem Tisch hängen einige gerahmte Zitate. Fahrnländers Lieblingssatz: Vertrauen ist unbezahlbar, darum muss man es schenken. „Ohne Vertrauen könnte ich meinen Job nicht machen“, sagt sie. Dass sie Vertrauen genießt, merkt sie daran, dass die Menschen nicht nur ihre Finanzen offenlegen, sondern auch mal das Herz öffnen. Dann hört sie von Problemen mit der Ausländerbehörde oder in der Familie – und kann auch hier oft helfen. „Ich verweise die Anwohner an den entsprechenden Experten, unser Netzwerk ist groß“, sagt sie, zum Beispiel an das Familienzentrum in der Wattstraße.
In den letzten Jahren hat sich die Gegend südlich des Bahnhofs Gesundbrunnen verändert. Fahrnländer beobachtet, dass immer mehr Studenten herziehen. Die mögen die schönen Altbauhäuser und die Mieten, die günstiger sind als im benachbarten Prenzlauer Berg. Der Kiez werde dadurch bunter.
Dennoch leben im Brunnenviertel immer noch knapp 67 Prozent der Kinder in Familien, die von Transferleistungen abhängig sind. Für sie ist Fahrnländer da. Denn, hilft sie den Eltern, hilft sie auch den Kindern. Erst kürzlich hat sie einer alleinerziehenden Mutter beigestanden, der nach einem Arbeitsunfall zu Unrecht das Krankengeld gestrichen wurde. „Wenn so ein Fall gut ausgeht, dann ist es ein guter Tag“, sagt Fahrnländer, nickt energisch und lächelt. Hinter ihr bescheint die Sonne das Holzbrett auf der Fensterbank.
Warum die MachBar im Brunnenviertel so heißt, wie sie heißt?
Weil in dem Beratungsladen fast alles machbar ist: Schüler und Absolventen bekommen Hilfe beim Schreiben ihrer Bewerbung. Wer Probleme beim Umgang mit Behörden hat, macht einen Termin und erhält Unterstützung – egal ob es um Transferleistungen, Krankengeld oder einen BAföG-Antrag geht. Dienstags bietet ein ehrenamtlicher Jurist eine kostenlose Rechtsberatung an. Träger der MachBar ist das gemeinnützige Bildungsunternehmen Schildkröte GmbH, degewo unterstützt ihn finanziell.