Nora Eckert spricht im degewo-Blog über ihre Erfahrungen und ihr Engagement in der Trans-Community und warum sie sich wünscht, dass wir eigentlich nicht mehr über dieses Thema sprechen müssten.
In und mit Berlin hat Nora Eckert viel durchgemacht. Nicht nur die politische, sondern auch ihre ganz persönliche Wende hat sie hier erlebt. Die Stadt hat ihr das Gefühl gegeben, eine Heimat gefunden zu haben, in der sie sich sicher und akzeptiert fühlt. Sie erzählt uns ihre persönliche Geschichte.
degewo | Frau Eckert, Sie sind im Vorstand des Vereins „TransInterQueer“ tätig und engagieren sich hier für trans*, inter* und nicht-binäre Belange in Berlin. Wie kam es dazu und was konnten Sie damit bisher erreichen?
Nora Eckert | Ich bin 2019, zeitgleich mit meinem Übergang in den Ruhestand, dem Vorstand des Vereins „TransInterQueer” beigetreten. Es gibt noch viel zu tun, um die Gesellschaft aufzuklären. Ich glaube, dass die meisten Menschen offen sind und gerne hören möchten, was wir zu sagen haben. Mit unserer Arbeit bauen wir Brücken und fördern Verständnis.
Sie sind keine gebürtige Berlinerin, aber leben schon viele Jahre hier. Wie würden Sie Ihre Verbindung zu Berlin beschreiben und welche Bedeutung hat diese Stadt für Sie?
Ich lebe seit über 50 Jahren in Berlin: Ich kam 1973 hierher, als die Stadt noch geteilt war. Schon in den 70ern erlebte ich in Berlin Toleranz und Akzeptanz, was mir viel Mut gibt. Berlin ermöglichte mir, freier und offener zu leben. Die Leute hier waren mir gegenüber freundlich und aufgeschlossen. Dadurch habe ich mich hier schnell zu Hause gefühlt.
In den letzte 50 Jahren hat sich Berlin natürlich auch gewandelt. Wie haben Sie den Wandel der Wahrnehmung von Trans*Personen in den vielen Jahren, in denen Sie hier leben, erlebt?
Es hat sich viel verändert in den letzten Jahren, vor allem in Bezug auf die Sichtbarkeit der Trans-Community. Es gibt mehr Möglichkeiten und Vorbilder. Heute ist es akzeptierter, wenn Trans*Personen sich zu ihrer Identität bekennen. Dadurch wird die Trans-Community immer größer, weil sich mehr Menschen trauen, zu sich selbst zu stehen.
Neben Ihrem Engagement für die Trans*-Community haben Sie eine große Leidenschaft für Kunst und Kultur. Sie waren beispielsweise auch als Publizistin und Opernkritikerin tätig. Hatte dieser Teil Ihres Lebens einen Einfluss auf Ihr Selbstverständnis und Ihre Identität?
Literatur, Theater, Musik und Oper haben mich schon immer fasziniert. Diese Leidenschaft hat mich mein ganzes Leben begleitet. In den 80er Jahren wurde ich Journalistin. Ich schrieb über Kunst und Kultur, wurde Opernkritikerin und veröffentlichte Bücher über Theater- und Operngeschichte. Das habe ich auch neben meinem Bürojob nie aus den Augen verloren. Später habe ich mich mehr der Natur zugewandt und gehe heute gerne wandern. Auch wenn das nicht unbedingt meine Trans*-Identität beeinflusst, ist es doch ein großer Teil von mir und meiner persönlichen Entwicklung.
Können Sie uns mehr darüber erzählen, was Sie dazu bewegt hat, Ihre persönliche Geschichte in Ihrem Buch „Wie alle, nur anders. Ein transsexuelles Leben in Berlin.“ zu teilen?
Lange Zeit fühlte ich mich in meinem Bürojob unsichtbar. Als der Ruhestand näher rückte, kamen Erinnerungen an meine Vergangenheit hoch und ich spürte den Drang, meine Geschichte aufzuschreiben und zu veröffentlichen. Das Schreiben war ein Weg, mich selbst zu verstehen und meine Geschichte sichtbar zu machen. Die Veröffentlichung meines Buches war ein Befreiungsschlag und ein Wendepunkt in meinem Leben. Die Botschaft meines Buches ist klar: Trans* zu sein ist keine Entscheidung. Deshalb ist es wichtig, sich selbst zu akzeptieren und den Mut zu haben, authentisch zu leben.
Sie haben eine aufregende Lebensgeschichte, leben aber eher in einem ruhigen degewo-Quartier: Berlin-Lankwitz. Warum haben Sie sich gerade für diesen Stadtteil entschieden?
Ich lebe gerne hier und fühle mich zu Hause, seit mehr als 10 Jahren. Ursprünglich bin ich durch Zufall hierher gezogen, aber die Wohnung hat mir sofort gefallen. Ich bin hier glücklich, vor allem wegen der ruhigen Lage, der Nähe zur Natur und der netten Nachbarschaft.
Was bedeutet für Sie Nachbarschaft, in der Sie sich wohlfühlen?
Nachbarschaft bedeutet für mich Akzeptanz, Toleranz und Geborgenheit. Die Menschen haben kein Problem damit, dass ich trans* bin, das erleichtert die Kommunikation und schafft ein Gefühl von Sicherheit und Zugehörigkeit. Für mich ist eine gute Nachbarschaft unbezahlbar.
Welche Hoffnungen und Ziele haben Sie für die Zukunft der trans* Gemeinschaft, sowohl in Berlin als auch darüber hinaus?
Meine Hoffnung für die Zukunft der Trans*-Community ist, dass die gesellschaftliche Akzeptanz weiter wächst. Ich wünsche mir, dass trans* Menschen nicht mehr als etwas Besonderes angesehen werden, sondern als Teil unserer vielfältigen Gesellschaft. Mein Ziel ist die Trans*Normalität.
Vielen Dank für das Gespräch!