Derviş Hızarcı steht vor einer grauen Wand und blickt lächelnd in die Kamera. Er trägt ein hellblaues Hemd und ein dunkelblaues Jackett. © KIgA e. V. / Boris Bocheinski
Nachbarschaft | Porträt

Zusammenleben braucht Vielfalt: Derviş Hızarcı im Gespräch

Im Gespräch mit degewo verrät Derviş Hızarcı, warum Nachbarschaft vom Austausch lebt, warum wir unsere Meinungen immer wieder kritisch hinterfragen sollten – und warum auf dem Fußballplatz nicht nur Spiele, sondern auch Werte gewonnen werden. 

Als Vorsitzender der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA e. V.) kommt Derviş Hızarcı derzeit kaum zur Ruhe. Schon sein ganzes Leben lang kämpft er gegen Vorurteile. Er ist sich sicher: Für mehr Toleranz und Gemeinschaftssinn gibt es kein Patentrezept, sondern viele unterschiedliche Wege. Mit degewo sprach er über seine Arbeit bei der KIgA, wie ihn seine Erziehung geprägt hat und warum Aufklärungsarbeit schon im Kindesalter so wichtig ist. 

Kulturelle Vielfalt im Kiez: Die Wurzeln für Derviş Hızarcıs Engagement 

Als Sohn türkischer Einwanderer, die Ende der 1960er Jahre nach Berlin kamen, wurden Derviş Hızarcıs Perspektiven und sein heutiges Engagement entscheidend durch seine eigene Kindheit und Herkunft geprägt: „Meine Eltern haben mir immer vermittelt, dass ich mich anstrengen, engagieren und integrieren muss.“ Obwohl er in einem türkisch geprägten Wohngebiet aufgewachsen ist, beschreibt er das Umfeld seiner Kindheit als kosmopolitisch: „Meine Eltern haben großen Wert darauf gelegt, dass ich mich mit allen Nachbarinnen und Nachbarn austausche. Das waren nicht nur Menschen türkischer Herkunft, sondern auch Deutsche, Griechen und Juden.“ Diese vielfältige Nachbarschaft hat sein Verständnis von Gemeinschaft entscheidend geprägt. 

Im Kampf gegen Rassismus, Diskriminierung, Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit kann man nicht erfolgreich sein, wenn man nur einen Weg geht.

- Derviş Hızarcı, Vorsitzender der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus

Zwei Jahrzente KIgA e. V.: Vielfalt in Aktion 

Die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus feiert in diesem Jahr Jubiläum: Seit 20 Jahren engagiert sie sich gegen Antisemitismus, Rassismus, Hass und Intoleranz. Mit innovativen Ansätzen wie pädagogischen Programmen für Schulen, Erwachsenenbildung und außerschulischen Formaten sind ihre Arbeitsfelder vielfältig. Die verschiedenen Aktivitäten spiegeln den breiten Ansatz wider: „Im Kampf gegen Rassismus, Diskriminierung, Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit kann man nicht erfolgreich sein, wenn man nur einen Weg geht.“  

Eine Aufgabe, die uns alle angeht 

Derviş Hızarcı sieht diesen Kampf als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Daher versuchen Derviş Hızarcı und sein Team, die Menschen auf vielen verschiedenen Kanälen zu erreichen. Einer dieser Kanäle ist der Podcast „KREUZ & QUER“, in dem Derviş Hızarcı als KIgA-Vorstand auch selbst zu Wort kommt: 

Teamgeist statt Torjubel: Derviş Hızarcı über Gemeinschaft und Werte 

Wenn Derviş Hızarcı auf dem Fußballplatz steht, verschwinden Klischees und Stereotype kurzerhand unter seinen Stollen. Die Leidenschaft für den Ballsport prägt sein Engagement: „Beim Fußball muss man sich auf seine Mitspieler einlassen, es gibt Regeln, die einen Rahmen vorgeben, aber auch Freiheiten im Handeln. Der Sport hat mich Disziplin und Teamgeist gelehrt.“ Als Derviş Hızarcı noch als Lehrer an einer Oberschule unterrichtete, gab er allen Eltern einen Herzensrat mit auf den Weg: Kinder brauchen eine Freizeitbeschäftigung. „Da geht es um mehr als nur eine Beschäftigung. So etwas lehrt die Kinder Gemeinschaft, gibt ihnen eine Routine und hilft dabei, ihre Identität zu finden und zu stärken.“  

Kinder und Jugendliche schon früh fördern 

Eigenschaften, die seiner Meinung nach für den gesellschaftlichen Zusammenhalt von großer Bedeutung sind und schon in jungen Jahren erlernt werden müssen: „Das sind die Jahre, die einen Menschen und seine Werte am meisten prägen“. Um Kinder und Jugendliche dabei zu fördern, Werte wie Fairness, soziales Miteinander und Verantwortung zu verinnerlichen, fördert auch degewo viele Angebote im Bereich Sport. 

 

Mehr als Schwarz und Weiß: Urteilsbildung hat viele Nuancen 

Ein kleines Wort kann einen großen Unterschied machen: „Urteilsbildung und Urteil sind weit voneinander entfernt,“ gibt Derviş Hızarcı zu bedenken. Wie ein Urteil zustandekommt, kann ganz unterschiedlich sein, fährt er fort: „Viele Menschen entwickeln ihre Meinungen und Einstellungen bereits in der Kindheit und Jugend durch die Erziehung und prägende Ereignisse“. Derviş Hızarcı hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Menschen zum kritischen Nachdenken anzuregen und ihre eingefahrenen Meinungen zu reflektieren. „Man sollte nicht einfach akzeptieren, dass man etwas gut oder schlecht findet. Vielmehr sollte man Gründe dafür und dagegen finden. Wenn man dann immer noch zu dem selben Ergebnis kommt, dann ist das in Ordnung, aber dann hat zumindest ein Prozess stattgefunden, man hat sich damit auseinandergesetzt.“  

Gemeinsam erleben: Begegnungsorte in der Nachbarschaft

degewo schafft Raum für Austausch in der Nachbarschaft. Bei kostenlosen Ausstellungen und Veranstaltungen kommt man schnell ins Gespräch und blickt über den eigenen Tellerrand.

Erkennen Sie Antisemitismus im Alltag? 

Um dagegen vorzugehen hat die KIgA die Website Stop Antisemitismus ins Leben gerufen. Hier werden Stereotype, die in weiten Teilen der Gesellschaft auf fruchtbaren Boden fallen, aufgegriffen und hinterfragt. Auf der Seite finden Sie viele Beispiele, mit denen Betroffene im Alltag häufig konfrontiert werden und Handlungsempfehlungen, wie Sie besser darauf reagieren können. Probieren Sie es aus und finden Sie heraus, was hinter den Stereotypen steckt.