Rixdorf hieß erst 38 Jahre Neukölln, da erblickte Renate Babkuhl das Licht der Welt. Seit ihrer Geburt lebt sie in der Weserstraße in derselben Wohnung. Zusammen mit ihrem Mann Hans erzählt sie im degewo-Interview ihre einzigartige Geschichte.
Ein eiskalter Januarmorgen in der Weserstraße in Berlin-Neukölln: Wir sind zu Besuch bei Renate und Hans Babkuhl. Als wir das letzte Mal hier waren, im Sommer 2020, war die Corona-Pandemie noch in vollem Gange und die Babkuhls empfingen uns in ihrem Mietergarten vor dem Haus. Heute sitzen wir in ihrem gemütlichen Wohnzimmer und lassen uns erzählen, wie es ihnen seit unserem letzten Besuch ergangen ist.
Zu Hause in Neukölln: 84 Jahre in derselben Wohnung
Aber vorher ein Exkurs in die Vergangenheit: Renate Babkuhl wohnt seit 1940 in derselben Wohnung in Neukölln. In diesen achtzig Jahren ist so viel passiert, dass sie darüber Bücher schreiben könnte. Von den schlimmsten Kriegstagen bis zu den schönsten Erinnerungen an Familienfeiern und Hochzeitstage – die Geschichten sprudeln nur so aus ihr heraus.
Ein gemeinsames Nest: 64 Jahre verheiratet
1960 heiratete Reni, wie ihr Mann sie liebevoll nennt, Hans Babkuhl. Er zieht zu ihr in die Weserstraße, zeitweise leben drei Generationen in der Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung: Großmutter, Mutter und das frisch gebackene Ehepaar. Im degewo-Interview berichten beide von dieser nicht immer einfachen Zeit:
Eingemauert: Wie die Babkuhls die deutsche Teilung erlebten
In den Tagen des Mauerbaus rollen Panzer durch die sonst so ruhige Weserstraße, dass die Tassen in den Schränken klirren. West-Berlin wird abgeriegelt, die Stadt zu einer Insel inmitten der DDR. Während man in Charlottenburg von der Mauer im Alltag nicht viel sieht, gehört sie in Neukölln zum täglichen Anblick. Renate Babkuhl erinnert sich, wie ungern sie die Transitstrecke nach Westdeutschland genommen hat. An das Gefühl, eingemauert zu sein, denkt sie noch heute mit Schrecken. Umso größer war für das Paar die Erleichterung, als die Mauer 1989 endlich fiel.
Nach der Wende: Endlich reisen
Im ganzen Land uneingeschränkt unterwegs sein: Für die Babkuhls war die neu gewonnene Freiheit ein Segen. Sie erkunden auf Flussfahrten und Wanderungen das vereinigte Deutschland. Auch international kommen beide viel rum, die Zeit im Ruhestand verbringen sie in Ägypten, Italien, den USA. Andenken von diesen Reisen zieren ihre Wohnung.
Ein Kleinod inmitten der Stadt: der Mietergarten
Renate (Jahrgang 1940) und Hans (Jahrgang 1936) Babkuhl sind heute nicht mehr ganz so viel auf Achse wie früher, aber immer noch auf Trab. Im liebevoll gepflegten Mietergarten hinter ihrem Wohnhaus verbringen beide bei gutem Wetter gerne Zeit.
Im Moment ist dort aber nicht viel los: „Im Winter lassen wir unseren Garten meistens in Ruhe, auch Laub und Unkraut lassen wir liegen, damit die Igel dort ihre Nester bauen und ungestört ihren Winterschlaf halten können“, erzählt Renate Babkuhl. Sie und ihr Mann lieben die Natur und sind stolz auf ihren Garten. Frau Babkuhl gerät ins Schwärmen: „Wir fühlen uns hier im Neuköllner Kiez sehr wohl. Besonders in unserem schönen degewo-Mietergarten, für den wir immer viele Komplimente bekommen.“
Blumen sind Frau Babkuhls Leidenschaft – nicht nur im Garten
Blumen sind für Renate Babkuhl aber nicht nur im Garten ein Hobby: Sie ist begeisterte Orchideenzüchterin und hegt und pflegt die Pflanzen auch im zum Wintergarten umfunktionierten Balkon in ihrer Wohnung mit Hingabe. Herr Babkuhl ist leidenschaftlicher Fotograf und setzt die Pflanzen stilvoll in Szene.
Die Nachbarschaft ist durch Corona neu aufgeblüht
Die Veränderungen im Kiez stoßen bei den Babkuhls nicht auf Gegenliebe. Die Weserstraße ist eine der geschäftigsten Gegenden in Neukölln. Bars, Kneipen und Restaurants drängen sich dicht an dicht, es ist oft laut. Sie schätzen jedoch die gute Nachbarschaft im Haus, besonders während der Corona-Pandemie war ihnen das eine große Hilfe: die jüngeren Mieterinnen und Mieter haben sich um Einkäufe und Besorgungen für das betagte Ehepaar gekümmert.
Die Hilfsbereitschaft im Haus ist groß
Aber auch jetzt, wo die Pandemie überstanden ist, können sie sich auf ihre Nachbarschaft verlassen, wenn sie etwas brauchen. Die Hilfsbereitschaft im Haus sei groß, darüber sind sie sehr froh: „Anonymität liegt uns überhaupt nicht, das wäre wirklich schlimm, hier im Haus unterstützen wir uns immer gegenseitig.“ betont Hans Babkuhl am Ende unseres Gesprächs. Beste Voraussetzungen, um hier auch im Alter gut zu leben und sich wohl fühlen zu können.